Schlaues & Weises
Richtig verstanden sollte Erkenntnis nicht zu endloser Selbstüberschätzung führen, sondern zu Demut und Ehrfurcht vor der Immensität der Schöpfung. Einer der berühmtesten Texte des Hinduismus drückt klar aus, dass unserem naturgegebenem begrenzten Verständnis dennoch aufgetragen ist, im Rahmen unserer Möglichkeiten zu erkennen. So ist Erkenntnis ebenso eine dynamische Facette der Evolution, die mit uns wächst. In der Bhagavad Gita dem Kern der Mahabharata – dem Epos des Weisen Vyasa – entspinnt sich ein Diskurs zwischen einer Gottesinkarnation und dem Prinzen Arjuna, der Ethik und Moral verteidigt. Weil er gegen seine Verwandten kämpfen soll, hat er jedoch Gewissensbisse. Krishna, der den Streitwagen von Prinz Arjuna, des edlen Kriegers lenkt, offenbart sich ihm als göttliche Inkarnation vor der monumentalen Schlacht von „Gut gegen Böse“. Krishna begründet vor der Schlacht, warum Arjuna kämpfen muss und gewährt ihm im Verlauf des Gesprächs eine Vision von Schöpfung und Weltgeschehen:
Blendend im Glanze von Tausend Sonnen,
erblickte Arjuna jetzt das ganze Universum
entfaltend sich in Vielheit und Vielfalt.
Shri Krishna spricht.
Wer immer opfert und verehrt,
wenn auch im falschen Brauch,
er sei gesegnet, wenn dies er tut
mit reinem Herzen auch.
Denn jedes Opfer gebührt ja mir.
doch wiederkommen muß er,
zu erkennen meine Allgewalt.
Kein Gott?
Vor kurzem kursierte die Meldung der Herausgabe eines letzten abschließenden Buches des berühmten Physikers Stephen Hawkins. Seine Hauptaussage darin sei die sensationelle Erkenntnis es gibt keinen Gott. Erstens: Dies ist keineswegs sensationell, denn daran kaut die Menschheit seit Anbeginn. Die Geschichte zeigt: Menschen sind daran gescheitert, zugrunde gegangen, ganze Völker ausradiert worden. Zweitens: Es ist aber etwas ganz anderes, wenn dies ein Physiker mit dem Renommee eines Stephen Hawkins behauptet und dies heute in die Medien wandert. Drittens: Sind dies Fakenews, die Interessen der Erben noch etwas Geld zu machen mit einer letzten „Abrechnung“, oder meinte Stephen Hawkins nur, dass es nicht diesen Gott geben kann, wie ihn die Religionen beschreiben? Letzteres halte ich ihm eher zu Gute.
Kurz zur physikalischen Argumentation: Es geht um die schwarzen Löcher, diese „Materie-Staubsauger“, in denen sich Materie in unvorstellbarer Komprimierung ansammelt, verursacht durch deren Anziehungskraft. Das Raumzeit- Gefüge wird darin zu Null und Nichts gequetscht, denn Raum und Zeit sind keine Konstanten mehr, stehen in Wechselwirkung zu Materie. Uhren würden stillstehen im schwarzen Loch, Zeit wäre bedeutungslos. Die Massenanziehung selbst wird heute nur als Verbiegung des Raumzeit-Kontinuums gesehen. Und – auch die schwarzen Löcher fressen sich gegenseitig auf, so dass letztlich nur ein einziges übrig bleiben soll.
Jetzt kommt die Philosophie: Was ist Zeit, was ist Raum? Zeit ist Ursache und Wirkung – nicht umkehrbar; Raum bedeutet Ausdehnung, Subjekt und Objekt oder Beobachter und Beobachtetes. Verschwindet Ursache und Ausdehnung gibt es keinen Schöpfer, keinen Ausgangspunkt und keine Singularität. Streng logisch oder doch nicht ganz?!
Die Frage: Sind Zeit, Raum, Energie, Materie – die nach Einstein selbst wiederum nur komprimierte Energie ist, nicht einfach Ideen einer viel höheren Überlegung, die wir nicht begreifen können. Einfach deshalb nicht, weil wir in die geschaffenen Dimensionen hineingeboren – ja deren evolutionäres Ergebnis sind. Kleines Analogon: Kann ein Mikroskop seinen Erfinder erkennen, obwohl es doch sehr tief blicken kann? Hier noch eine überraschende Beobachtung der Astronomie, die ein Schwarzes Loch anders als erwartet zeigt. Man sieht, wie es sich wie ein langsamer Kreisel dreht, schwankt und das Raum-Zeit-Gefüge rhythmisch verzerrt und ins Schwingen bringt. Wieder werden „Erkenntnisse“ über den Haufen geworfen, neue Ungewissheit für die Forschung geschaffen, die es zu beseitigen gilt. So geht es weiter, da der menschliche Geist nicht ruhen kann, so lange er nur auf seine Ratio baut, die wiederum nur innerhalb der Raumzeit-Dimension Sinn macht.
Um abzurunden, eine Warnung aus den Upanishaden dass wir Gott nicht denken können:
Also spricht Parabrahma [1]
„Alle Dinge erschuf Ich. Alle Gottheiten kommen von Mir. Ich wurde zu meiner Schöpfung, und Meine Schöpfung kehrt zurück zu Mir, so wie die Wogen hinausgehen in den Ozean und wieder zurückkommen. Aus Meiner Macht geht hervor die Illusion der Maya, oder die „Realität“ des sich endlos wandelnden Universums. Dies ist Mein göttliches Spiel (Leela). Niemals werdet ihr Mich einfangen in euren mentalen Konzepten, denn Ich selbst habe alle Konzepte inspiriert zu Anfang und wenn ihr euch Mir nähert, werde Ich alle Konzepte am Ende vernichten.“ (Upanishaden)
[1] Parabrahma = Para-Brahma (jenseits Brahman), dem Zustand vor der Zweiteilung in ein wollendes, potentielles (Sadha Shiva) und in ein kinetisches Prinzip der Schöpfung (Adi Shakti) – der Evolution. Wer sagt das, oder schreibt es nieder? Das Grenzenlose bedient sich der Stimme des Endlichen in Form von großen Heiligen und Sehern. Da es die Wahrheit ist, kann es nicht verloren gehen.
Demut
Das ist gewaltig. Hervorgehen soll daraus zweierlei, dass wir nicht willentlich mit dem Unbegreiflichen in Kontakt treten können und weiter – statt Vermessenheit, Demut angebracht wäre, weil unser Denken nicht hinreicht, das Grenzenlose zu fassen. Wie auch könnte ein Mikroskop seinen Erfinder verstehen, selbst wenn es noch so Feines sieht. Erforscht kann nur werden, was bereits besteht. Neues aus menschlichem Wirken ist evolutionär meist unangepasst und bereitet Probleme, besonders wenn es kurzsichtigen egoistischen Zwecken dient (zB. Plastik, Atomenergie). Besieht man sich jüngste Erkenntnisse und ihre Umsetzung, muss man zugestehen, dass die Natur nicht nur alles bereits erfunden, sondern verwirklicht hat. Deshalb versucht etwa der Forschungsbereich Bionik Mutter Natur Ihre Geheimnisse zu entlocken.
Stille
Das große Hindernis ist unsere rastlose Gedankenflut. Die Evolution hat dies vorausgesehen und die Lösung bereitgestellt. Erst der Zustand der Gedankenfreiheit ist es, der die Tür öffnet. Die Kundalini vermag es, diesen Zustand herzustellen. Per Se ist Meditation damit keine weltliche, sondern eine spirituelle Dimension – und dies ist auch der Grund für ihre physiologische Notwendigkeit. Umgekehrt, erklärt sich daraus, warum Meditation immer ein Füllhorn des Guten sein muss, auch wenn wir zunächst nur weltliche Ambitionen haben. Auf jeden Fall, will sie uns zu mehr Reife und Verständnis über uns und die Welt führen